GSB 7.1 Standardlösung

Ausgewählte Erwerbungen der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

(1871 - 1912)

Beethoven, Ludwig van. Sinfonie mit Schluss-Chor über Schillers Ode: “An die Freude” für grosses Orchester, 4 Solo und 4 Chor-Stimmen. Componirt und Seiner Majestät dem
König von Preussen Friedrich Wilhelm III in tiefster Ehrfurcht zugeeignet … 125.tes Werk. - Mainz, Paris, B. Schotts Söhne und Antwerpen, A. Schott, [1826]. – 30 Stimmen.
(Erworben von der Staatsbibliothek zu Berlin – Signatur: 55 Apr 271)

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Titelblatt und Notenblätter Beethoven, Ludwig van. Sinfonie mit Schluss-Chor über Schillers Ode: “An die Freude” für grosses Orchester, 4 Solo und 4 Chor-Stimmen. Componirt und Seiner Majestät dem 
König von Preussen Friedrich Wilhelm III in tiefster Ehrfurcht zugeeignet … 125.tes Werk. - Mainz, Paris, B. Schotts Söhne und Antwerpen, A. Schott, [1826]. – 30 Stimmen. 
(Erworben von der Staatsbibliothek zu Berlin – Signatur: 55 Apr 271)

Die Neunte Sinfonie in Einzelstimmen

Die Musikabteilung verwahrt den weltweit größten Beethovenbestand und auch das Weltkulturerbe der Neunten Sinfonie Beethovens wird dort sorgsam behütet ‒ den Erstdruck aller Einzelstimmen dieses Schlüsselwerks sinfonischer Musik besaß sie bisher aber leider nicht. So war es ein außerordentlicher Glücksfall, als im Mai 2021 ein Angebot eines Berliner Antiquariats angenommen werden konnte: Die Bibliothek hat ein sehr schönes Exemplar ohne Eintragungen erworben, das auf dickem Papier gedruckt wurde. Das Notenbild ist gestochen scharf in einem kräftigen Abzug, was auf einen frühen Erstdruck - eine Ausgabe mit der Plattennummer 2321 hinweist, die im Jahr 1826 noch vor der Partitur mit der Plattennummer 2322 entstanden war. Das umfangreiche Konvolut enthält alle 31 Instrumental- und Vokalstimmen einschließlich einer handschriftlichen Stimme einer weiteren ersten Violine. Stempel auf den Umschlägen der Stimmen deuten darauf hin, dass es sich um ein Exemplar des Musikalischen Vereins Mitau (heute Jelgava, Lettland) handelt. Eine gewisse Besonderheit stellt auch das Titelblatt der Bratschenstimme mit der Bezeichnung „Alto“ dar, die in späteren Ausgaben korrigiert wurde.
Über Jahre hinweg – schon im Jahr 1793 – soll Beethoven den Gedanken gehabt haben, Schillers „Ode an die Freude“ zu vertonen und hatte sie bereits als Klavierlied komponiert. Diese Komposition gilt allerdings als verschollen. 1817 bekam Beethoven eine Einladung der Londoner Philharmonic Society, woraufhin er zwei Sinfonien komponieren sollte. Diese Reise kam zwar nicht zustande, aber im Herbst 1822 begann die konzentrierte Arbeit an der Neunten Sinfonie, während sich von einer der geplanten Sinfonien, nämlich der Zehnten, nur Skizzen erhalten haben. Erst im letzten Entstehungsjahr der Neunten Sinfonie 1824 kam er auf seine Idee zurück, das Finale mit der vokalen „Ode an die Freude“ zu krönen und die sinfonische Instrumentalmusik durch den Ausdruck der menschlichen Stimme zu einem Manifest von Freiheit und Brüderlichkeit zu machen. Die erste Aufführung fand am 7. Mai 1824 im Wiener Kärntnertortheater unter Beisein des Komponisten statt, der laut Augenzeugenberichten fast völlig ertaubt und etwas verwahrlost mit dem Rücken zum Publikum vergeblich versuchte, dem Notentext zu folgen und falsche Orchestereinsätze gab. Auch den frenetischen Beifall soll er nicht mitbekommen haben, schildert der Geiger Joseph Michael Böhm 1863 in der Brünner Zeitung.
Auf dem Titelblatt des Stimmendrucks ist eine Widmung an Kaiser Friedrich Wilhelm III. zu lesen. Als Bedingung für diese Dedikation hatte der Monarch eine Abschrift mit eigenhändiger Widmung angefordert, die sich ebenfalls in der Musikabteilung erhalten hat (Signatur Mus.ms.autogr. Beethoven 30). Als Dankeschön hatte Beethoven vom Kaiser einen Brillantring geschenkt bekommen, der sich allerdings als Fälschung herausstellte. Beethoven soll darüber so erbost gewesen sein, dass er nur mit Mühe davon abgehalten werden konnte, ihn zurückzuschicken.